Auch in der digitalen Welt ist Vertrauen der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Allerdings gelingt der analoge Handschlag vielfach leichter.

„Vertrauen ist die Grundlage für jede funktionierende Beziehung – sowohl in der analogen als auch der digitalen Welt. In einer immer komplexeren Gesellschaft wird dieses Vertrauen aber zunehmend gegen Convenience eingetauscht“, sagte Markus Höfinger, Managing Director von Accenture Interactive. Man wolle sich einfach das Leben erleichtern. Damit arbeiten alle Online-Plattformen – von Amazon über Facebook bis zu Tinder.

Gelernte Vertrauensmodelle aus der analogen Welt könnten aber nicht 1:1 in die digitale Welt umgelegt werden. Es gebe Beziehungen nicht mehr nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Menschen und Maschinen oder Maschinen und Systemen – etwa wenn der Laufschuh mit der Gesundheitsversicherung kommuniziert. „Das macht die Sache nicht einfacher, im Gegenteil: Datenmissbrauch und Deep Fake-Beispiele erschüttern aktuell das Vertrauen der Online-Community“, ortete Höfinger eine hochemotionale Grundstimmung.

Vertrauen erlebbar machen

Unternehmen müssten Vertrauen erlebbar machen und das schon bei der Entwicklung von digitalen Produkten und Angeboten berücksichtigen. Konsumenten würden durchaus bereit sein, ihre Daten für relevante Services zur richtigen Zeit herzugeben. Wichtig seien Transparenz, Zuverlässigkeit, Verantwortung und Kontrolle. Als positives Beispiel für letzteres nannte er die Möglichkeit, einen Ticketkauf bei den ÖBB kurzfristig rückgängig zu machen. Beim Thema Transparenz zeige der Fahrtendienst Uber was möglich sei, wenn man schon vorab nachvollziehen könne, wer einen wann mit welchem Auto abhole.

Unternehmen müssten es wagen, bedingungslos in Vorleistung zu gehen, meinte Alexis Johann, Behavioral Designer und Partner bei der Unternehmensberatung FehrAdvice & Partners. „Vielleicht mal ein Service oder Add-on gratis anbieten – da kann man Vertrauen aufbauen“, so Johann. Ein weiterer Punkt sei, sich als Firma darüber klar zu werden, dass man Fehler machen werde: „Die Frage ist, ob ich in der Lage bin ein System zu bauen, das trotzdem vertrauenswürdig ist.“ Feedbackkanäle zu öffnen und in einen Dialog zu kommen sei hier sehr wichtig. „Das können und tun die wenigsten Firmen in Österreich“, zeigte sich Johann überzeugt.

Vertrauen als Voraussetzung

„Digitalisierung ist nicht einfach die Umsetzung vom bisher bekannten Kundenvertrauen in Softwareform. Da gibt es mehr“, erklärte auch Alexander Oswald, Präsident der Österreichischen Marketinggesellschaft (ÖMG). In der Online-Welt werde Vertrauen eine absolute Voraussetzung, die Sharing Economy mache das vor: Bei Airbnb oder Uber sei „hochgradiges Vertrauen dahinter“. Das brauche man auch, um jemandem beispielsweise die eigene Wohnung anzuvertrauen. Beim Umgang mit Daten herrsche teilweise eine „gewisse Schizophrenie“: So habe es massive mediale Aufregung um das Kundenbindungsprogramm „JÖ-Club“ gegeben, der „One click“-Einkauf bei Amazon sei hingegen ganz normal.

Vertrauen und Datenschutz

Auf Wettbewerbsvorteile durch den „Convenience-Faktor“, wies auch Markus Schreiber, Head of Business Marketing bei der A1 Telekom Austria AG, hin: „Vertrauen ist Teil dieser Convenience-Story. Wo ich mich wohl fühle, da ist Vertrauen gegeben.“ Der Kunde sei so mächtig wie nie zuvor. Ein Ausrutscher reiche, um die Rechnung präsentiert zu bekommen. Allerdings sei es „ein bisschen schräg“, an welche Regeln sich Firmen halten müssten, wenn Kunden zur selben Zeit App um App installieren, die umfangreiche Zugriffsrechte auf das Smartphone erlauben würden. Grundsätzlich gebe es ein steigendes Vertrauen durch die Datenschutzgrundverordnung, „weil das Gefühl vorherrscht, dass irgendwer da schon drauf schaut. Dass mit den Daten nicht hasardiert wird, schafft Vertrauen“, so Schreiber.

Vertrauen verloren gehe beispielsweise, wenn Firmen anfangs Daten sammeln und nicht sagen würden, wofür sie sammeln, erläuterte Florian Kranebitter, Partner der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH. Hier sei Transparenz ein wesentlicher Punkt. „Digital Trust“ beginne im Innovationsprozess, im Idealfall würden zukünftige Anwender und deren individuelle Bedürfnisse bereits in der Entwicklungsphase eingebunden. „So wird das Vertrauen von Beginn an aufgebaut und etwaige Fehlerquellen können frühzeitig erkannt und reduziert werden“, sagte Kranebitter.

Auf das Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ verwies Julia Lindner, Produktmanagerin für Compliance Produkte bei Bisnode D&B Austria. In einer global vernetzten Welt sei es unerlässlich, seine Geschäftspartner genau zu kennen, um sich selbst und sein Unternehmen vor negativer Reputation zu schützen. Es mache Sinn, lieber genau nachzuprüfen, mit welchen Kunden und Lieferanten man eine Geschäftsbeziehung eingehe. “Wer proaktiv dem Kunden transparent mitteilt, wie er arbeitet, gewinnt Vertrauen“, so die Expertin.