Was macht es mit RezipientInnen und KonsumentInnen, wenn der politisch einflussreichste Mensch des Planeten seine Mitmenschen tagtäglich als Lügner bezichtigt, aber selbst der Wahrheit nicht so zugetan ist? Und was tut dies mit Markenkommunikation? Sich manipulativ der Medien zu bedienen ist in der Politik zum daily business geworden. Auch umgekehrt nehmen etliche Medienhäuser sämtliche Populisten ins Visier. Emotionsgeladene Kommunikation dominiert.

Unabhängig davon, ob der amtierende U.S.-Präsident wiedergewählt wird, hat er bereits das Wesen der Öffentlichkeitsarbeit, des politischen „Marketings“ und der Wahrnehmung von Kommunikation nachhaltiger verändert als viele andere Populisten vor ihm. Polarisierung, Fake News und Eskalation sind zu einem traurigen Standard in der Kommunikation geworden. Wir finden, dass das eine bedauerliche, aber keine umkehrbare Entwicklung ist.

Neue Leitbilder

Nur jeder Fünfte ist der Meinung, dass unsere Wirtschafts- und Sozialsysteme für den Einzelnen/die Einzelne einsteht (siehe Edelman Trust Report). Tatsächlich glaubt die Mehrheit der Bevölkerung nicht daran, dass sich ihre Lage in den nächsten fünf Jahren verbessern wird.

Die Generation der Millennials ist deutlich pessimistischer, als es andere Generationen zuvor waren. Weniger als ein Viertel rechnet damit, dass sich ihre Situation im kommenden Jahr zum Besseren wendet. Vertrauen schaffen ist also wichtiger denn je geworden.

Dass Dialoge aufgrund dieser Missstände deutlich „konfrontativer“ geführt werden, liegt auf der Hand. Es scheint deutlich stärker um Abgrenzung, Ausgrenzung und Polarisierung zu gehen, welche – wenn sie von Menschen mit Einfluss betrieben wird – für alle anderen fast schon automatisch zu einem Leitbild werden. Die Schamgrenze sinkt. Der Provokationslevel steigt – gerade bei Menschen, die Angst haben, etwas zu verlieren.

Diese Entwicklung ist einer der Gründe, warum im Marketing die Suche nach dem „Purpose“ so sehr vorangetrieben wird. Marken müssen nun politischen Raum einnehmen, Leuchttürme werden, wo Desorientierung aus Sicht der RezipientInnen herrscht und nur mehr provokante Kommunikationsimpulse statt politischer Willensbildung stattfinden.

Eine durchaus neue Rolle für Marketer, die nicht leicht zu handhaben ist. Denn: Jede Meinung ist subjektiv und findet durchaus rasch auch ihre Gegner. Vor dem vernebelten Hintergrund der widersprüchlichen, irritierenden politischen Kommunikation und Entscheidungen, ist diese neue Rolle vom Marketing mit Verantwortung beladen.

Aber woran soll man sich orientieren?

Was für Marketer längst state-of-the-art ist, ist für die Politik nun mehr als bisher richtungsweisend. Fokusgruppen und Umfragen sind für die meinungsüberspitzten Populisten das, was ihre Agenda zusammenhält.

Für Marketer wird zur öffentlichen Meinung mehr und mehr die „Marktforschung“ in den eigenen Reihen wesentlich. Ein deutlich spürbarer Treiber eines veränderten Marken-Eigenbildes sind zunehmend MitarbeiterInnen. Laut dem Edelman Trust Barometer 2019 vertrauen 75% der Befragten darauf, dass ihre Arbeitgeber das Richtige tun – mehr Vertrauen, als der Arbeit von Regierungen, Medien oder der Wirtschaft generell geschenkt wird.

Was dieses Vertrauen bedeutet: MitarbeiterInnen erwarten von ihren Arbeitgebern, dass sie Dinge besser machen. Da tauchen Themenfelder wie etwa Gemeinwohl, Talententwicklung, Diversität und Inklusion auf. Und: So manche Unternehmen reagieren darauf. Sie sind die, die gewissenhaft Informationen zusammenstellen, Prozesse verbessern und Projekte für die Allgemeinheit lancieren und stellen damit einen Gegenpol zur Pop-Up-Politics Seite dar. Bleibt nur zu hoffen, dass sie dies auch mit ehrlichen Absichten tun. Denn, um Gary Vaynerchuck zu zitieren: “The best marketing strategy ever: CARE!”

Also orientieren wir uns im Marketing an dem, was gelöst werden muss, was das Leben der Menschen und unserer Umwelt nachhaltig verbessert und was Fehlentwicklungen wieder umkehren könnte.