Am 27. Juni luden wir gemeinsam mit dem Handelsverband Österreich unter dem Motto „Loyalty im Handel“ zum ersten Corporate Communication Circle. In einer spannenden Fragerunde wurden Kundenbindung- und Bonusprogramme näher beleuchtet.

Karin Saey (Leitung Handel, Dorotheum) begrüßte die zahlreichen Gäste im Office des Handelsverband Österreich und eröffnete die Premiere des Circle Corporate Communication, der erstmals auch für Nicht-Mitglieder des Handelsverbands zugänglich war. Um die optimale Basis zu haben, um über Kundenbindung sprechen zu können, präsentierte Isabel Lamotte (Communications- und Projectmanager, Handelsverband) zwei marketingrelevante Benchmarks: Den ORI (Omnichannel Readiness Index) und den Index zur digitalen Sichtbarkeit von Unternehmen in Österreich.  „85 Prozent der österreichischen KonsumentInnen recherchieren vor dem Kauf Produkte über Suchmaschinen“, so Lamotte. 62 Prozent der stationären Einkäufe werden digital beeinflusst. „Diese Zahlen zeigen, welche Omnichannel-Potentiale zur Kundengewinnung und –bindung bestehen.“

 

„Vertrauen im digitalen Raum ist eine knifflige Geschichte“

Für Alexander Oswald (Geschäftsführer FUTURA und Präsident Österreichische Marketing-Gesellschaft) bedeutet Vertrauen, von der Zuverlässigkeit einer Sache oder Person überzeugt zu sein. Man kann es in vier verschiedene Typen gliedern: das Ur-Vertrauen, das affektive Vertrauen, das Reputationsvertrauen und das Erfahrungsvertrauen. Die beiden letzteren sind für das Marketing relevant.

Durch die digitale Transformation haben sich die Parameter deutlich verschoben: Je jünger die Zielgruppe, desto wichtiger ist das Reputationsvertrauen – den Jungen ist es wichtig, wie über eine Marke gesprochen wird.

„Die bekannten Touchpoints wurden zu Trustpoints. Gute Marketeers müssen sich täglich die Frage stellen, ob vertrauensbildende oder -senkende Maßnahmen umgesetzt wurden“, so Oswald. Es haben sich Eckpfeiler des digitalen Vertrauens etabliert: So gehe es beim ersten Pfeiler um Cyber Resilience, also wie Unternehmen Daten sicher verwahren. Der zweite Pfeiler steht laut Oswald für differenzierte Privatsphäre: Wie viel des Privatlebens Konsumenten an Unternehmen weitergeben und was sie im Gegenzug dafür bekommen. Als dritter Pfeiler definiert Oswald den „Gegenwert für Daten“ – also was man für seine Konsumentendaten als Gegenleistung erhält. Der vierte Eckpfeiler ist schließlich: Datentransparenz. „Unternehmen müssen für Konsumenten eine Sprache entwickeln, die klar macht, welche Daten überhaupt gesammelt werden. Das Kleingedruckte muss auch der Durchschnittskonsument besser verstehen“, schloss Oswald.

 

„Daten gezielt wie Kakteen bewässern“

Mario Günther Rauch (Geschäftsführer/ jö Bonus Club/ Unser Ö-Bonus Club GmbH) eröffnete sein Statement mit dem Zitat, dass „nur wer seine Kunden kenne, diese auch in den Mittelpunkt stellen könne“. Der Greissler von früher hätte seine Kunden und ihre Vorlieben ganz genau gekannt. „Durch die Digitalisierung haben sich Handlungsstrukturen jedoch vollkommen verändert“, erklärte Rauch. „Es zieht deutlich mehr Anonymität ein.“ Stationäre Händler wissen weniger über ihre Kunden als Online-Anbieter wie etwa Zalando, Amazon & Co.

Um Kunden abholen zu können, muss man verstehen, dass Kundenbedürfnisse nie einheitlich sind. Die Zeiten des Schubladendenkens sind vorbei, vielmehr geht es in Richtung Individualisierung und Personalisierung.

„Daten können so gezielt wie Kakteen bewässert werden“, so Rauch. All jene Daten, die Unternehmen anhand des Einkaufsverhaltens oder der Internetnutzung generieren, können genutzt werden, um Kunden angepasst an ihre Wünsche anzusprechen und ihnen passende Angebote zu bieten – genau das ist für die Kundenbindung heute wichtig. Denn der im Retail ausschlaggebende Faktor ist das Erlebnis mit der Marke.

 

Kunden wollen digital abgeholt werden

„Wir brauchen mehr Rabatttransparenz anstatt Datentransparenz“, startet Walter Hager (Versicherungsexperte beim Verein für Konsumenteninformation) die Diskussion. In Österreich sollte nicht nur die Datentransparenz an erster Stelle stehen, sondern vielmehr sollten die österreichischen Konsumenten aufgeklärt werden, was Rabatte eigentlich sind.

Kundenkarten sind per se kein Problem, aber der Konsument muss verstehen, wie seine Daten miteinander verknüpft werden. Aus Konsumentensicht ist es auch das falsche Credo, zu glauben, man habe nichts zu verbergen.

Auch Sonja Felber (Geschäftsleitung Business und Development AHVV Verlags GmbH) vertrat die Ansicht, dass den Unternehmen selbst zumeist nicht bewusst ist, was man mit den gesammelten Daten alles machen kann. „Daten werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich mehr wert sein als Unternehmen selbst“, ist Felber, selbst auch im Vorstand der Österreichischen Marketing-Gesellschaft, überzeugt. So sind beim „jö“-Bonus Club algorithmisch erstellte Einkaufszettel basierend auf dem Einkaufsverhalten der Kunden in Planung.

 

In dem Punkt, dass Österreichs Kunden digital abgeholt werden sollten, waren sich alle einig. Jedoch wird es im endlosen digitalen Raum immer schwieriger, Marken zu positionieren und Kunden an das Unternehmen zu binden. Laut Mario Rauch hat der „Durchschnittskonsument“ 14 Kundenkarten, allerdings verwenden weniger als 11 Prozent diese mehr als einmal pro Monat. „Um diese vierzehn Karten nicht mehr bei sich zu haben, soll die jö Bonuskarte zum wertvollsten Begleiter durch den Tag werden“, so Rauch zu den Zielen des jö Bonus Club. Bis 2020 will jö außerdem drei bis sechs neue Partner gewinnen. Aktuell ist der jö Bonus Club bereits 2,9 Millionen NutzerInnen stark, davon sind mehr als 95 Prozent in den letzten Tagen aktiv gewesen.