Zum ersten Mal im heurigen Jahr hieß es bei uns am 1.Februar „Let’s Talk“. Unser hochkarätiger Gast im APA-Pressezentrum war niemand geringerer als der Vorstandsvorsitzende des AMS Österreich Johannes Kopf. Im Expertentalk mit anschließender Diskussion sprach der Arbeitsmarktspezialist über Veränderungen und Herausforderungen aber auch Zukunftschancen des heimischen Arbeitsmarktes.

Zunächst gab Johannes Kopf einen kurzen Überblick über den österreichischen Arbeitsmarkt sowie Hintergründe zu den Arbeitslosenzahlen.
Beginnend mit dem Krisenjahr 2009, in dem die Wirtschaft um mehr als 4 Prozent einbrach, spannte Kopf den Bogen bis zum Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 und den damit verbundenen drastischen Auswirkungen für viele Branchen. Die gegenwärtige Situation des österreichischen Arbeitsmarkts und der Ausblick auf dessen Entwicklung in den nächsten Jahren, waren ebenso Thema, wie die Notwendigkeiten für Arbeitssuchende und Arbeitsgeber:innen.

Hier sieht Kopf neue Herausforderungen für Unternehmer:innen: „Die Arbeitslosenquote lag 2023 bei 6,4 Prozent. Für 2024 sehen die Prognosen eine Erholung der Konjunktur und damit auch ein Sinken der Arbeitslosigkeit vorher. Die Vergangenheit hat uns aber gelehrt, mit Prognosen vorsichtig zu sein. Betrachten wir etwa den Fachkräftemangel, der gegenwärtig in aller Munde ist, so wird uns dieses Problem schon alleine aus demografischen Gründen erhalten bleiben. Dennoch sind fast alle Branchen, z.B. der Tourismus, heute sicher mehr denn je gefordert, sich als attraktive Arbeitgeber:innen zu präsentieren und auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden und potenziell Neuer einzugehen,“ so der Experte.

Frühförderung bildungsferner Schichten als Schlüssel

Ein wesentlicher Punkt im Talk war die Veränderung des Arbeitskräftepotenzials. Gerade im Hinblick auf Migration und qualifiziertem Zuzug liegen hier enorme Chancen. Der AMS-Chef: „Die höchste Arbeitslosenrate, rd. 30 Prozent, haben wir derzeit bei Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss besitzen und nicht Deutsch als Muttersprache haben.“ Die Antwort auf die Frage, was es brauche, um diese Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, lautet für Kopf „Die größten Chancen bieten sich hier in einem sehr frühen Stadium, am besten bereits im Kindergarten.“ Denn wenn die Personen aus der oben genannten Gruppe AMS-Kund:innen werden, sei es oft meist zu spät. „Ich plädiere seit langem für ein verpflichtendes 2. Kindergartenjahr und den problemzentrierten Einsatz von Fördermitteln an Kindergärten und Schulen,“ erklärt der AMS-Vorstand.

Was bringt uns die Arbeitswelt der Zukunft?

Natürlich ging es an dem Abend auch um zukunftsträchtige Themen. Digitalisierung, das Thema KI und die große Frage „Wie werden wir in Zukunft – nicht nur im Marketing, sondern in allen Unternehmensbereichen – arbeiten?“.

Johannes Kopf fokussiert hier auf 4 Schlagworten: flexibler, digitaler, internationaler und ökologischer. Diese vier Begriffe kennzeichnen Trends, die laut dem Experten auf so gut wie auf jede Branche anwendbar sind. „All das ist essenziell, wenn es darum geht, in der sich verändernden Arbeitswelt wettbewerbsfähig zu bleiben“, meint Kopf. Etwa die Flexibilität im Sinne von Homeoffice, die nicht zuletzt durch Corona befeuert wurde und die trotz aller positiven Aspekte auch herausfordernde Begleiterscheinungen – etwa im Bereich des Arbeitsrechts – mit sich bringt. Aber auch die Tatsache, dass es auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft normal sein wird, dass Personen in einem Land arbeiten, in dem sie nicht wohnen. „Das Thema grenzüberschreitendes Arbeiten wird uns in den kommenden Jahren stark beschäftigen. Oft werde ich gefragt, was junge Menschen tun sollen, um auf dem Arbeitsmarkt die besten Chancen zu haben. Mein Gefühl ist, dass es nicht mehr der geradlinige Lebenslauf ist, der bei HR-Verantwortlichen Eindruck macht. Sondern möglichst viele verschiedene Erfahrungen, von denen man einige idealerweise im Ausland gesammelt hat. Doch auch hier stehen etwa Sozialversicherungsträger vor großen Herausforderungen, die diese neue Flexibilität und Internationalität mit sich bringt,“ so der AMS-Chef. Bei seinem älteren Sohn sei er gescheitert, ihn zu einem Auslandsaufenthalt zu motivieren, er würde aber alles daran setzen, dass ihm das bei seinem jüngeren Sohn gelänge, gibt Kopf einen kleinen Einblick in sein Privatleben.

Digitalisierung und Ökologie als große Treiberthemen der Zukunft

Dass die Arbeitswelt von morgen eine ökologisch nachhaltige sein muss, darüber waren sich Kopf; Moderator und Gäste einig. Nimmt doch das Thema auch bei der ÖMG einen besonderen Stellenwert ein. Johannes Kopf verwies in diesem Zusammenhang auf den APPC Special Report „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ des Climate Change Center Austria. Laut diesem müssen sich 80 Prozent der derzeitigen Erwerbsarbeitsbereiche ändern, um die Klimaziele zu erreichen. Wie diese Veränderungen aussehen könnten, damit befasst sich aktuell auch die ÖMG intensiv. „Wir führen aktuell eine Studie zum Thema Wie kann Nachhaltigkeit im Marketing implementiert werden durch, an der bereits über 500 Brancheninsider:innen teilgenommen haben. Wir werden die Ergebnisse dieser Studie demnächst präsentieren,“ so Oswald.

Beim Thema Digitalisierung wurde es dann noch einmal richtig spannend. Etwa bei der Frage, wie gut unsere Schulen künftige Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt vorbereiten, wenn es um digitale Kompetenzen geht. Oder was generell auf Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zukommt, wenn es um die ständige Anpassung und Erweiterung digitaler Skills geht. Denn hier stellt sich nicht zuletzt die Frage, wer dafür bezahlen soll. Kopf sieht einen ersten Schritt in der Implementierung eines digitalen Kompetenzmodells, das auf alle Arbeitnehmer:innen anwendbar ist. Vergleichbar mit dem Klassifikationssystem für Sprachkenntnisse (GeR), das sich mittlerweile vollständig etabliert hat. Ein solches System befindet sich derzeit AMS-intern bereits in der Testphase und soll in absehbarer Zeit zu einem Instrument für Unternehmen bei der Suche nach Mitarbeitenden werden. Kopf erklärt dazu: „Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt, dass das, was auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich gefordert wird, digitale Grundkompetenz ist. Auch wenn das banal klingt, ist eine solche bei weitem nicht quer durch alle Bildungsschichten und Generationen Standard. Insbesondere, da die Anforderungen, die heute mit diesem Begriff verbunden sind, durchaus anspruchsvoll sind. Hier wird es in den kommenden Jahren sicher verstärkt Initiativen brauchen, um den Arbeitsmarkt zukunftsweisend zu gestalten. Denn auch jungen Menschen sind diese Kompetenzen nicht, wie viele meinen, in die Wiege gelegt.“

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