An unserem Netzwerkabend gemeinsam mit dem PRVA wurden die aktuellen Herausforderungen des Nachrichtenschaffens und die Rolle eines glaubwürdige (Medien)-Umfeldes für Kommunikationsbotschaften diskutiert.
Marketinginteressierte, Journalist:innen und Presseverantwortliche versammelten sich im APA-Pressezentrum und tauschten sich mit einem hochkarätigen Panel aus, wie Medien und Nachrichtenagenturen redaktionelle und künstliche Intelligenz verbinden können. Das Panel war besetzt mit Ingrid Gogl/ PRVA, Alexander Oswald/ ÖMG, Dr. Clemens Pig/ APA, Anna Wallner/ Die Presse. Durch den Abend führte Barbara Haas/ Kleine Zeitung.
Dr. Clemens Pig, CEO der APA-Presseagentur, eröffnete den Abend mit der Erzählung aus seinem neuen Buch, nach dessen Titel auch die Veranstaltung benannt wurde: Democracy Dies in Darkness. Er skizzierte die letzten Jahre, in denen sich das Mediengeschäft und auch der Konsum der Medien stark verändert hat. Effekte, wie Fake News, wurden in Europa immer mehr und wir lernen gerade, mit ihnen umzugehen. Neue Disziplinen wie Factchecking entstehen, die weit über das faktenbasierte Berichten hinausgehen. Damit leitete Pig gleich die Fragen des heutigen Abends ein: Welche Rolle spielt ein glaubwürdiges (Medien)-Umfeld für Kommunikationsbotschaften; wie können wir Medien weiterentwickeln und welche Bedeutung hat künstliche Intelligenz dabei? Freie Medien sind das Lagerfeuer der Demokratie und müssen um jeden Preis geschützt werden, da die Demokratie sonst angegriffen werden kann.
„Saubere Nachrichten sind wie sauberes Trinkwasser. Wir brauchen beides, um zu überleben“, mit diesem Bild aus Pigs Buch eröffnete Barbara Haas/ Kleine Zeitung die Podiumsdiskussion. Und Pig stimmte zu: „Medien waren und sind das verbindende Element in unserem Leben. Früher haben wir am Morgen den Fernseher aufgedreht oder Zeitung gelesen. Heute sind es andere Medien, aber wir konsumieren, um uns weiterzubilden, am Laufenden zu bleiben und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Das wahre Asset der Medien sind die Newsrooms, damit wir in der Lage sind, auf faktenbasierten Inhalten unsere Meinung zu bilden.“ Wie sieht das in der Wirtschaft aus, konkret im Marketing, dass oftmals den Ruf hat, Reichweite der Glaubwürdigkeit vorzuziehen? Unser ÖMG Präsident Alexander Oswald sieht das nicht so: „Wir haben im Marketing ein zwiegespaltenes Verhältnis. Das Marketing schätzt die Medien, vor allem wenn sie die eigene Botschaft authentisch transportieren. Gleichzeitig wollen wir aber auch, dass unsere Botschaften von so vielen Menschen wie möglich gesehen werden. Das geht nicht immer Hand in Hand und wird immer schwerer, weil viel in den letzten Jahren passiert ist. Das Vertrauen geht runter und die Emotionen rauf. Reichweite passiert durch Polarisieren, und dem Algorithmus ist es egal, ob es eine positive oder negative Geschichte ist. Den interessiert nur die emotionale Reaktion. Ob die Nachricht wahr ist, ist fast egal. Und im Marketing muss man sich die Frage stellen, ob es überhaupt noch ein Umfeld gibt, wo nicht der Wahnsinn herrscht. Deshalb sollte man unter Posts, die man nicht gut findet, auch nicht kommentieren. Man gibt den Inhalten so nur mehr Kraft.“
Die Moderatorin fragt Ingrid Gogl/ PRVA, wie die Pressearbeit diese ethischen Fragen einordnet, eine Kommunikationsdisziplin, der oftmals angekreidet wird, Inhalte weichzuzeichnen. „Ethik und Glaubwürdigkeit spiel in der Pressearbeit eine große Rolle. Deshalb distanzieren wir uns auch bewusst von Begriffen wie ‚PR-Stunts‘ weil diese suggerieren, etwas sei inszeniert. Ich denke sogar, dass Medien vielen Unternehmen gelernt haben, aufrichtiger zu kommunizieren, indem sie eben nicht alle Geschichten aufgegriffen haben. Weichzeichnen ist aber ganz klar keine Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit, dafür gibt es auch zu viele Korrektoren, sondern Geschichten spannend und abwechslungsreich zu erzählen. Wir kämpfen bewusst gegen Fake-PR.“
Kann KI beim Qualitätsjournalismus helfen?
Im Journalistischen wird mit KI bereits experimentiert, aber welche Rolle spielt sie im täglichen Arbeiten und bei den aufkommenden Aufgaben wie Factchecking wirklich? Anna Wallner/ Die Presse, dazu: „Wir müssen uns damit beschäftigen, denn wie der Buchdruck wird KI nicht weggehen. Die Medien haben bereits die Einführung des Internets und Social Media verschlafen, das sollte uns hier nicht wieder passieren. Aktuell verwende ich ChatGPT und Co. eher sporadisch, um beispielsweise Titel für Artikel zu verwenden. Die sind aber selten besser als unsere eigenen. Vielleicht noch zum Mitschreiben von Gesprächen. Ich sehe auch, dass wir die Algorithmen nicht so gut verstehen, wie Unternehmen. Hier ist noch viel Potenzial.“ Die Gefahren im Bereich Künstliche Intelligenz sehen die Expert*innen aktuell im Bereich der Foto- und Videoproduktion, denn das Internet wird immer mehr mit inszenierten Bildern zugespühlt. „Ja, man bekommt mittlerweile schnell Ergebnisse, aber was bringt mir viel und günstiger Content, wenn immer das Gleiche herauskommt. Dadurch wird der gute Journalismus immer schwerer auffindbar. Wir sollten lieber KI dafür nutzen, um mühsame und grundlegende Arbeiten zu ersetzen, um dann mehr Zeit für anderes zu haben.“ „Wir müssen auch offen darüber reden, dass wir den Journalismus abschaffen, wenn wir jetzt unser wichtigstes Asset an KI-Unternehmen verkaufen, nämlich Journalist*innen“, so Pig.
Emotion und Glaubwürdigkeit im Journalismus – geht beides?
„Es gibt einen Aufmerksamkeitskampf von Plattformen, den es früher nicht gegeben hat. Medien haben verlernt, Spaß zu machen. Deshalb ist Audio- und Videocontent auf Social Media auch auf der Überholspur. Aus dem gleichen Grund funktionieren Influencer*innen gut. Sie können ohne Befindlichkeiten über ihre Themen sprechen, nehmen die Zielgruppe in ihr Leben mit. Das geht bei Medien oder Journalist*innen nicht so gut“, so Wallner. Können Medien sich dahingehend anpassen? „Es ist natürlich schwieriger die Kommunikation von großen Medienunternehmen auf eine einzelne Person zu übertragen, auch wenn man sich mit Menschen leichter identifizieren kann. Was passiert denn mit der Unternehmenskommunikation, wenn die Person nicht mehr im Unternehmen ist?“, so Oswald. Kann uns das personifizierte Nachrichtenmachen näher zum Qualitätsjournalismus bringen? „Das sehe ich nicht. Ich glaube, dass Journalismus genau das Gegenteil sein sollte. Wir wollen Partner für die Menschen durch Zuverlässigkeit und Qualität sein. Wir haben die Aufgabe, Geschichten zu finden und aufzudecken. Wer zu sehr emotionalisiert, verliert die Zuverlässigkeit. Von Netflix und Co. können wir uns aber die Geschäftsmodelle abschauen“, so Pig. Gogl sieht das anders: „Fakten sind nicht das Gegenteil von Emotionen. Nur weil etwas emotional rübergebracht wird, ist es noch nicht falsch. Emotionen können ein Mittel sein, um Fakten besser zu transportieren.“
Wie sich Journalismus verändern muss
Zum Schluss fragt die Moderatorin, was die harte Währung der Glaubwürdigkeit für die PR und Marketing im Zwischenspiel mit den Medien ist. Gogl dazu: „Wir brauchen die Glaubwürdigkeit der Medien, denn wir planen unsere Kampagnen danach. Ich muss in der Pressearbeit auf die Inhalte der Medien reagieren und dementsprechend Kommunikationsmaßnahmen setzen. Mich auf Zahlen verlassen können.“
Oswald fügt hinzu: „Ich kann nicht einfach losgelöst von Umfeld arbeiten, sondern wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass ich ein lokales Ökosystem an Medien habe, mit denen ich zusammenarbeite. Wer immer nur günstig bei den Social Media Giganten einkauft, schadet langfristig der Marke.“ Pig ergänzt: „Journalismus ist schon seit langem ein Kampf zwischen Schnelligkeit und Richtigkeit, das ist aber auch eine Ressourcenfrage. Was ist denn falsch daran, dass etwas in der Sekunde nicht ganz klar ist? Oder wir ein paar Stunden brauchen, um komplexe Inhalte zu verifizieren?“ Gogl: „Diese Ressourcen würde ich aber gerne bei den Medien sehen, denn das erwarte ich mir von Qualitätsmedien, dass ich mich fürs Faktenchecken nicht auf eine Person auf der Social Media Plattform X verlassen muss.“ Wo gilt es also, zu investieren? Im Personal und in die Newsrooms? „Wir machen gute, auf Fakten basierende Arbeit, mit den Ressourcen, die wir haben. Wir müssen uns aber auch weiterentwickeln, warum in Zukunft also nicht auch mit sogenannten Personenmarken arbeiten, Expert*innen finden, die ein Medium hinaustragen? Oder gegebenenfalls nicht alles weitermachen, nicht alle Ressorts oder Plattformen bespielen, sondern sich auf bestimmte Themen fokussieren.“
Weitere Gäste, die an diesem Abend vor Ort waren, sind Louisa Böhringer/Personal Branding Wien, Veronika Beck/Komma4, Judith Belfkih/Wiener Zeitung, Lorin Polak/New Business Verlag, Alexander Raffeiner/Raffeiner Reputation, Vanessa Salzer/Ecker & Partner, Thomas Seifert/Journalist, Stefan Grampfelhuber/PRVA, Axel Maireder/IMWF, Barbara Oberrauter-Zabransky/KI Academy, Peter Thier/ÖBB, Simone Zwickl/FHWien, u.v.m.
Die ganze Aufzeichnung findet ihr hier! Und weiter Bilder des Abends hier!